Interview mit dem Technischen Leiter der WP Damen-Nationalteams
Vladimir Bajkovic wurde 2021 zum Cheftrainer der Schweizer Damen-Nationalteams für Swiss Aquatics Water Polo ernannt. Neben seiner Leitung der Team Elite und U19 konnte er erfolgreich die U16-Gruppe auf nationaler Ebene formen. Sein umfangreiches internationales Erfahrungsspektrum bereichert seine Tätigkeit. In einem Interview mit der Redaktion von Waterpolo News berichtet er über seine Aufgaben, Herausforderungen und die ihm unterstellten Teams.
Redaktion: Vladimir, du bist nun bereits drei Jahre als Damen-Nationaltrainer WP in der Schweiz tätig, wie ist die Situation im Schweizer Damenwasserball derzeit?
Vladimir Bajkovic: Zurzeit befinde ich mich im dritten Jahr meines Vertrags mit Swiss Aquatics. In den ersten beiden Jahren war ich als Assistenztrainer für die technische Ausbildung von Herrenmannschaften in spezifischen Positionen tätig. Ab der Saison 2023/24 werde ich ausschliesslich für die Damenmannschaften zuständig sein. Ein Meilenstein war die erfolgreiche Formierung der dritten Generation von Mädchen des Jahrgangs 2008 und jünger, der U16-Gruppe. Damit arbeiten wir auf nationaler Ebene parallel mit drei Spielerinnengruppen: Elite, U19 und U16. Durch die kontinuierliche Arbeit und die Steigerung der Trainingsintensität in den nationalen Trainingslagern konnten die meisten ausgewählten Spielerinnen aller drei Generationen ihr technisches Niveau verbessern. Dies trägt massgeblich dazu bei, das Ansehen des Schweizer Wasserballs auf internationaler Bühne zu stärken. Eine entscheidende Herausforderung besteht jedoch darin, das physische Leistungsniveau der Spielerinnen und des gesamten Teams signifikant zu erhöhen. Dies erfordert eine verstärkte Interaktion und Kooperation zwischen den Vereinen und den Nationalmannschaften.
Redaktion: Erzähl uns etwas über dich und deine Karriere im Wasserball.
Vladimir Bajkovic: Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder: einen 28-jährigen Sohn, der den Doktortitel in Zahnmedizin trägt, und eine 24-jährige Tochter, die als Ärztin tätig ist. Neben meinem Studium der Sportwissenschaften habe ich an der Universität Belgrad einen Abschluss in Wirtschaft erworben. Nach meiner aktiven Spielerkarriere ab 1990 habe ich als Trainer in verschiedenen Vereinen in Jugoslawien und Serbien gearbeitet, darunter 12 Jahre beim VK Crvena Zvezda und in der jugoslawischen Nationalmannschaft. Meine internationale Trainerlaufbahn führte mich zu den Nationalmannschaften von Saudi-Arabien und Kuwait sowie zu Engagements in Griechenland. In Saudi-Arabien habe ich mit verschiedenen Teams zahlreiche Meisterschaften auf dem asiatischen Kontinent gewonnen. Zwischen 2014 und 2018 hatte ich die Position des Cheftrainers aller Damen-Nationalmannschaften in Serbien inne. Ich nahm an Europa- und Weltmeisterschaften mit den Nationalmannschaften von Jugoslawien und Serbien teil, wobei ich Bronze-, Silber- und Goldmedaillen errang. Seit 2021 bekleide ich die Position des Cheftrainer der Schweizer Damen-Nationalmannschaften.
Redaktion: Welche wichtigen Ereignisse stehen für die drei Damen Nationalteams in naher und ferner Zukunft an?
Vladimir Bajkovic: Ursprünglich war ein zehntägiges Trainingslager in Tenero für die U16 im Juli geplant, welches von den Eltern der Spielerinnen finanziert werden sollte. Die geplante Anreise von zwei italienischen Mannschaften für Freundschaftsspiele musste jedoch aufgrund eines Mangels an Unterkünften in Tenero für den festgelegten Zeitraum abgesagt werden. Für die U19 war ursprünglich die Teilnahme an der EM in Zagreb geplant. Aufgrund schulischer und beruflicher Verpflichtungen der Spielerinnen wurde diese jedoch abgesagt. Des Weiteren planen wir die Teilnahme an der Qualifikation zur Europameisterschaft zwischen März und Juni 2025. Je nach Budget ist ein Sommertrainingslager in Montenegro oder Italien (Padova) vom 21. bis 27.07. vorgesehen. Diese Massnahmen zielen darauf ab, die Qualität der jungen Spielerinnen zu steigern, die im Wettbewerb stehen, um das zukünftige Elite-Team zu stärken und zu verjüngen. Die Elitegruppe nahm am Osterturnier teil, das vom 28. bis 31. März in Novi Sad stattfand. Acht Spielerinnen aus dem U19-Kader verstärkten das Elite-Team. Die Ziele des Elite Teams umfassen die Qualifikation für die kommende Europameisterschaft sowie die Vorbereitungen im Zeitraum von März bis Juni 2025.
Für die kommende Saison 2024/25 hat die LEN die Alterskategorien der Turniere geändert, sodass nun auf europäischer Ebene anstelle von U19 und U17 nun U18 und U16 antreten werden. Die Entscheidung, ob das Schweizer Team an der U18-Europameisterschaft teilnehmen wird, hängt von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ab, die für die Vorbereitung dieser Altersgruppe benötigt werden.
Sofern möglich, soll eine U14-Damen-Gruppe zusammengestellt werden. Obwohl die Anzahl der aktiven Spielerinnen in den Vereinen begrenzt ist, wird versucht, auf nationaler Ebene zu arbeiten, um uns rechtzeitig auf die U16-Europameisterschaft in zwei Jahren vorzubereiten.
Redaktion: Wie werden die Spielerinnen der Damen Nationalmannschaft ausgewählt?
Vladimir Bajkovic: Die Rekrutierung junger Sportlerinnen in den Vereinen ist unzureichend, was die Möglichkeit einer angemessenen Auswahl einschränkt. In einigen Vereinen fehlt es an Mädchen in dem für die Nationalmannschaft relevanten Alter von 14 Jahren. Oft beginnen sie erst in diesem Lebensabschnitt mit dem Vereinstraining und weisen sowohl körperliche als auch technische Defizite auf. Dies resultiert aus unzureichenden Trainingsbedingungen, die lediglich ein zweimaliges wöchentliches Training ermöglichen.
Es ist von entscheidender Bedeutung, die Verbesserung dieses Bereichs durch die Erweiterung der Trainings auf mehrere Tage pro Woche und die Einführung eines früheren Einstiegsalters, beispielsweise zwischen 8 und 11 Jahren, voranzutreiben. Jeder Verein sollte ein spezifisches Programm zur Rekrutierung und Ausbildung von Wasserballspielerinnen entwickeln. Die nationale Mannschaft sollte als übergeordnete Struktur fungieren, was derzeit jedoch nicht der Fall ist. Derzeit werden den Spielerinnen grundlegende Wasserballtechniken und Bewegungsmuster vermittelt.
Redaktion: Was sind die Merkmale einer U17-, U19- und Elite-Nationalspielerin, und welchen Weg müssen die Spielerinnen gehen, um dieses Niveau zu erreichen?
Vladimir Bajkovic: Die Eigenschaften der einzelnen Teams ähneln sich, wobei das Elite-Team und einige jüngere Spielerinnen aus der U19 am intensivsten trainieren, um sich langsam ihren Platz im Elite-Team zu verdienen. Dies resultiert aus einer erhöhten Anzahl von Trainingseinheiten auf nationaler Ebene in den letzten zweieinhalb Jahren.
Es fehlen internationale Trainingseinheiten und Wettkämpfe, die die Qualität der Spielerinnen im Nationalmannschaftsprogramm deutlich steigern könnten. Durch vermehrte internationale Erfahrungen könnten talentierte Athletinnen das durchschnittliche europäische und internationale Niveau erreichen.
Redaktion: Wo sehen Sie die Nationalteams auf internationaler Ebene?
Vladimir Bajkovic: Derzeit liegen sämtliche Teams deutlich unter dem europäischen Durchschnittsniveau. Bisher scheint nur das Elite-Team die Möglichkeit gehabt zu haben, sich rasch diesem Niveau anzunähern. Es fehlt uns weiterhin ein langfristiger und kontinuierlicher Trainingsprozess in den Vereinen sowie auf nationaler Ebene, ebenso wie mehr wettbewerbsorientierte Vorbereitungsspiele. Neben den Wochenendvorbereitungen im Verlauf des Jahres sollte es eine spezifische Trainingsphase von etwa zehn bis zwölf Tagen unmittelbar vor bedeutenden Wettbewerben wie der Europameisterschaftsqualifikation geben.
Andere Teams, die als unsere Konkurrenten agieren, verfügen über diese Strukturen, die uns leider noch fehlen. Der Schlüssel zu unserem Erfolg liegt in einem intensiveren Arbeitsaufwand und einer erhöhten finanziellen Unterstützung, um die Bedürfnisse und die Entwicklung unserer jungen Spieler zu fördern. Sollten wir diese Aspekte zeitnah verbessern können, könnten wir in den kommenden Jahren talentierte Spieler hervorbringen und langfristig das mittlere europäische Niveau erreichen.