Yannick Käser KBEM 2019. (Foto: magicpbk)

In den sozialen Medien verkündete der Schweizer Rekordhalter Yannick Käser seinen Rücktritt. Mit ihm verlässt eine Institution unsere Leistungssport-Elite. Seine Leistungen, seine Erfahrung und seine Persönlichkeit haben den Schweizer Schwimmsport über mehr als ein Jahrzehnt lang geprägt. Ein Rückblick auf seine Karriere.

Nach Käsers Anfängen beim SC Fricktal und dem SC Tägi Wettingen, holte Käser seine ersten Medaillen an Nachwuchswettkämpfen 2006, als die Karriere von Remo Lütolf gerade zu Ende gegangen war. 2007 nahm Käser erstmals an internationalen Meisterschaften teil, am European Youth Olympic Festival in Belgrad. Am 19. März 2009 drückte Käser die Uralt-Rekordmarke über 200 Brust vom bis dahin einzigen Schweizer Olympiamedaillengewinner Etienne Dagon auf 2:16.21. Diesen Rekord hat er seither als Einziger achtmal unterboten.

An den Junioren-EM 2009 in Prag verpasste er die Bronzemedaille als Vierter nur knapp, an den Junioren-EM 2010 stand er erneut im Final, ebenso an den Youth Olympic Games in Singapur. Auch die ersten Kurzbahn-EM standen Ende des Jahres 2010 an. 2011 reichte es zur Teilnahme an den World Student Games in Shenzhen (CHN). Ende der Saison 2011 entschied sich Käser für einen Wechsel vom SV Basel zu den Limmat Sharks Zürich. Beim SV Basel hatte er unter den Trainern Adam Thorackay und Dieter Sofka grosse Fortschritte erzielt. In Zürich konnte er ein Umfeld vorfinden, wo sich noch andere Schwimmerinnen und Schwimmer auf die Olympischen Spiele vorbereiteten.

Sein grosser Durchbruch passierte im Jahre 2012. Käser qualifizierte sich erstmals für die Olympischen Spiele mit 2:12.99 an den Langbahn-SM in Zürich. Im Mai 2012 erreichte der Aargauer mit der EM-Finalteilnahme über 200 Brust in Debrecen (HUN) einen weiteren Meilenstein in seiner Karriere. Sein 24. Rang an den Spielen in London war ein Höhepunkt seiner noch jungen Karriere.

Danach entschied sich Käser für einen Wechsel ans College in Charlottesville, USA. Dort feierte er im Yards-Becken weitere Erfolge. Während seiner US-Zeit dauerte es eine Weile, bis er sich verbesserte. Höhepunkt seiner College-Karriere war das NCAA-Finale im Jahre 2016. Für die Nationalmannschaft war Käser im Sommer jeweils weiterhin im Einsatz. 2013 erreichte er an der Universiade in Kazan (RUS) die Halbfinals, ebenso an der EM 2014 in Berlin. An der WM 2015 in Kazan (RUS) verpasste er zwar den Einzug in die Halbfinals knapp, durfte sich aber über seinen ersten 200 Brust-Rekord seit 2012 freuen.

2016 erreichte Käser sein grosses Ziel, sich zum zweiten Mal für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Zunächst sicherte sich Käser an der EM im Mai einen grossen Erfolg: Die Finalqualifikation über 100 Brust. An den Olympischen Spielen in Rio zeigte er eine grossartige Leistung und verpasste als 20. im Vorlauf den Halbfinal nur um eine halbe Sekunde.

Käser nahm den Schwung mit in die Saison 2016/2017, wo er zuerst an der WM in Budapest seinen grössten sportlichen Erfolg feierte. Halbfinalqualifikation in Landesrekordzeit von 2:11.00 über 200 Brust war Käsers stolze Ausbeute. Gar noch schneller schwamm er einen Monat später an der Universiade in Taipei, wo er mit 2:10.37 seinen heute noch gültigen Schweizerrekord aufstellte. Eine Medaille verpasste er sowohl über 100 und 200 Brust als Vierter bzw. Fünfter erneut knapp. Diese Erfolge fielen in die Zeit, wo er zusätzlich zum Training bei den Limmat Sharks Zürich unter Dirk Reinicke und Felix Weins auch von den Trainingsbedingungen in der Spitzensport RS der Schweizer Armee und der Betreuung von Nico Messer profitierte.

An den World Military Games im Dezember 2017 erfüllte sich endlich auch Käsers Traum von einer Medaille an einem internationalen Grossanlass. Hinter den beiden russischen Favoriten Chupkov und Kostin holte er sich dank einer starken Leistung Bronze in Rio de Janeiro (BRA).

Im Jahre 2018 kam Käser an der EM in Glasgow nicht über die Vorläufe hinaus. Mit der Mixed-Lagenstaffel erreichte er den Finalplatz mit seinen Teamkollegen Thierry Bollin (Rücken), Svenja Stoffel (Schmetterling) und Maria Ugolkova (Freistil). Er zeigte Ende Jahr an der Kurzbahn-WM in Hangzhou (CHN) eine starke Leistung mit der Egalisierung seines Rekords über 100 Brust. Die Marke von 58.61 bedeutet bis heute Landesrekord.

2019 absolvierte er seine letzte WM in Gwangju, wo gesundheitliche Probleme Topleistungen verhinderten. Dennoch erreichte er dort mit der Lagenstaffel den bis heute gültigen Landesrekord, ergänzt durch Roman Mityukov (Rücken), Jérémy Desplanches (Delfin) und Nils Liess (Freistil).

Nach dem Pandemiejahr 2020 folgte im Jahr 2021 ein Schicksalsschlag für den jungen Fricktaler. Ein Krebsbefund durchkreuzte Käsers Pläne. Käser entschied sich vor der Operation noch für einem letzten internationalen Einsatz an der EM 2021 in Budapest. Danach erfolgte ein erfolgreicher operativer Eingriff und Käser widmete sich seiner Erholung. Im Oktober 2021 informierte Käser über seinen Rücktritt nach den Kurzbahn-SM im kommenden November in Sursee.

 

Käsers Vermächtnis

Käsers Stärken lagen seit jungen Jahren auf der zweiten Rennhälfte und einem ausgeprägten Racer-Instinkt. In zahlreichen Duellen auf nationaler Ebene konnte er sich auf den letzten Metern jeweils durchsetzen, teilweise gegen sehr starke nationale Konkurrenz. Seine Schwächen hatte Käser beim Start und in der Unterwasserphase, in der Schnelligkeit allgemein. Diese Schwächen verbesserte er im Verlauf der Karriere deutlich, konnte aber auf der kurzen Bahn nie ganz an die Erfolge der Langbahn anknüpfen. Während seiner Zeit in den USA konnte Käser an Grundschnelligkeit zulegen. Bessere Leistungen über die 50 und 100 Meterstrecke folgten. Dies war für seinen Fortschritt gegenüber internationaler Konkurrenz auch über die 200 Meter-Strecke entscheidend. So war er auch auf der ersten Rennhälfte nahe an den Gegnern dran und konnte sich weiter vorne platzieren.

Viele Konkurrenten begleiteten Käsers Karriere. Er brach die Rekorde auf den olympischen Distanzen der beiden Schweizer Brustgiganten. Im Jahre 2009 senkte er Etienne Dagons Rekord über 200 Brust vom Olympia-Bronzelauf 1984. Im Jahre 2015 unterbot er Remo Lütolfs Rekord, den dieser beim Finaleinzug an den Olympischen Spielen 2000 in Sydney aufgestellt hatte. Danach kam die direkte Konkurrenz von Martin Schweizer (SCUW) auf den kurzen Strecken und von seinen Klubkollegen Kilian Bosshard, Jaques Läuffer und Luca Pfyffer (alle Limmat Sharks), auch Zweikämpfe mit Jérémy Desplanches (Genève Natation) und Jolann Bovey (SC Uster Wallisellen) waren dabei und boten sehr oft Spektakel an den Schweizermeisterschaften, oft mit dem besseren Ende für Käser.

Sowohl im Verein als auch im Kreis der Nationalmannschaft galt der Mann aus Mumpf (AG) als Vorbild. Er wirkte entspannt und freundlich und war gleichzeitig bekannt als ehrgeiziger und zielstrebiger Schwerarbeiter und gnadenloser Wettkämpfer, der im entscheidenden Moment noch einen Zacken zulegen konnte.

Er betrieb auch gute Öffentlichkeitsarbeit, engagierte sich an Workshops für den Nachwuchs und stellte sich den Medien mit interessanten Interviews und Informationen. Gerade in diesem Bereich erhofft sich die Schwimmschweiz auch nach dem Rücktritt weitere Präsenz von ihrem führenden Brustschwimmer der letzten fünfzehn Jahre.